Der neue Roman der amerikanischen Autorin Meg Wolitzer ist nah am Puls der Zeit
Es ist nicht immer leicht, seinen Prinzipien konsequent treu zu bleiben. Und je mehr Einfluss man hat, umso größer sind die Kompromisse, die man machen muss – oder etwa nicht? In ihrem neuen Roman Das weibliche Prinzip beschreibt die New Yorker Autorin Meg Wolitzer zwei Heldinnen unterschiedlicher Generationen als kämpferische Frauen der Emanzipationsbewegung und lässt dabei ihre Schwächen nicht unbeachtet.
Zum ersten Mal trifft Greer Kadetsky während ihres Studiums auf Faith Frank, als sie einen Vortrag der bekannten Feministin in einem überfüllten Hörsaal besucht. Faith Frank gilt als Ikone der Emanzipationsbewegung und ist die Herausgeberin einer feministischen Zeitung. Inzwischen über sechzig, ist sie noch immer eine charismatische, kämpferische Frau mit einer großen Fangemeinde.
Auch Greer und ihre beste Freundin sind fasziniert von Faith Frank und die Begegnung bleibt nicht ohne Folgen. Inspiriert von ihren Ideen und bestärkt in der Überzeugung, etwas an den bestehenden Verhältnissen ändern zu müssen, werden sie Teil der Frauenbewegung.
Als Greer Jahre später die Chance hat, für Faith Frank zu arbeiten, wird ein Traum für sie wahr. Um die Stelle zu bekommen, nimmt sie billigend in Kauf, ihre Freundin zu hintergehen, doch das ist bald vergessen. Sie hatte gute Gründe für diese kleine Unaufrichtigkeit und doch bleibt es dabei, dass sie der Freundin gegenüber nicht loyal gewesen ist. Und sollten Frauen nicht immer zusammenhalten und sich solidarisieren?
Dass es auch hier um Macht und Karriere geht, ist vielleicht nicht weiter verwunderlich und Meg Wolitzers Darstellung der Charaktere sind insofern überzeugend, da sie nicht schwarz/weiß malt, was bei einem Roman zum Thema Frauenbewegung naheliegend und verlockend wäre, sondern die Eigenschaften ihrer Figuren mit allen Stärken, aber eben auch mit all ihren Schwächen zeigt.
Die Zeiten heute haben sich im Vergleich zur Emanzipationsbewegung der Siebzigerjahre geändert und die von Faith Frank herausgegebene Zeitung erreicht inzwischen nicht mehr die hohen Auflagen von damals. Verändert hat sich aber noch etwas anderes: Es wird heute nicht mehr nur für Frauenrechte gekämpft, sondern generell für die Gleichberechtigung sozial benachteiligter Gruppen. Soziale Themen werden in den verschiedensten Medien mittlerweile anders diskutiert als zu den Hochzeiten in denen Faith Frank besonders aktiv war.
Je mehr Greer ihr großes Idol kennenlernt, umso mehr erfährt sie auch über ihre faulen Kompromisse und erkennt die Schwächen der nach außen so starken Frau. Wie viele Kompromisse darf man machen und wie bleibt man sich selbst treu? Hohe Ziele zu verfolgen ohne sich selbst untreu zu werden, ist ein Balanceakt für Greer und sie muss ihren eigenen Weg finden. Davon erzählt die wunderbare, 1959 geborene Autorin in ihrem beeindruckenden großen Roman, der spannend und in bester amerikanischer Erzähltradition geschrieben ist. Eine kluge und unterhaltsame Lektüre über ein zentrales Thema unserer Zeit.
Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip, Dumont Verlag 2018, 496 Seiten, ISBN: 3832198989